«Trauer wird schwächer, Angst verläuft sich, Zorn verebbt, Kränkung verblasst. Manche Freundschaften vergehen, und andere sind stabiler, als man glaubte, vielleicht, weil man sich mehr braucht, als man sich unterscheidet. Zeit vergeht. Wunden heilen, Menschen verschwinden aus dem Leben. Erinnerungen verschwimmen. Die Nachrichten kommen nicht mehr sehr oft, nur noch selten, und es ist nicht mehr wichtig.» So endet der neue Roman von Doris Knecht.
Ruth lebt auf dem Land, in einem kleinen Holzhaus, das ihr Ehemann Ludwig für die Familie vor vielen Jahren gebaut hat. Ludwig ist vor vier Jahren bei einem Skiunfall gestorben. Ruth hat sich nach und nach wieder ein Leben aufgebaut, sie hat zwei Teenager-Söhne, eine Stieftochter und Freunde, Nachbarn, die sie tragen. Bis sie eines Tages eine anonyme Nachricht von jemandem bekommt, der sehr viel über ihre Familie und ihre Vergangenheit weiss.
Die Leserin, der Leser verfolgt nun beinahe atemlos die Geschichte, wie Hassnachrichten, Lügen, Bilder das noch sehr verletzliche Leben von Ruth zerstören, wie sie nach und nach das Vertrauen in die Welt und ihr Umfeld verliert. Doch geht es in diesem Roman nicht nur um die Sozialen Medien, um Twitter, Facebook und unser blindes Vertrauen in die Wahrheit von Worten im Internet. Es geht vielmehr auch um das zentrale Thema der Romane von Doris Knecht: Keine Autorin analysiert zwischenmenschliche Beziehungen so vielschichtig, poetisch und liebevoll. „Die Nachricht“ ist ein Roman über Frauen, deren Eigenständigkeit und Stärke stets aufs Neue infrage gestellt wird. Es geht aber auch um die zahlreichen Frauen, die für ein besseres, sichereres Leben kämpfen.
Monika Steiner