Der irische Autor Paul Lynch hat für seinen Roman «Das Lied des Propheten» den Booker Prize 2023 erhalten. Ein dystopischer Text, form- und sprachgewaltig!
Irland verwandelt sich ultraschnell in einen diktatorischen Staat. Mittendrin befindet sich Eilish Stack, die versucht sich mit ihrer Restfamilie in der zunehmend brutaler werdenden Gegenwart durchzuschlagen und sie zu beschützen: ihre Kinder und ihren dementen Vater. Ihr Mann Larry, ein Gewerkschafter, wurde von einer neuen Geheimpolizei gefangen genommen. Der älteste Sohn Mark ging danach in den Untergrund, um gegen das Regime zu kämpfen.
Ihr Alltag wird durch Ausgangssperren, Strassenkämpfe, Lebensmittelknappheit, miserable Gesundheitsversorgung, Überwachung im öffentlichen Raum und am Arbeitsplatz etc. schier unerträglich. Was tun? Flüchten? Oder bleiben und auf ein Lebenszeichen der beiden Verschollenen warten?
Beim Lesen gehen einem die verstörenden Bilder unserer Zeit durch den Kopf, die wir von den Konflikten in der Ukraine und Israel kennen. Das Innenleben der Hauptfigur Eilish und die geschilderten privaten Alltagsszenen vor dem Hintergrund einer autoritären Welt sind für den Leser sehr aufwühlend und erschreckend – ganz anders als Nachrichten zu aktuellen Konflikten.
Susanne Bühler