«Übertretung» ist der deutsche Titel des Romandebüts von Louise Kennedy (Originaltitel: «Trespasses»), erschienen bei Steidl. Kennedy ist eine irische Autorin, die erst als Köchin arbeitete, bevor sie spät zum Schreiben kam und dann als Mitfünfzigerin erste Kurzgeschichten publizierte. Die im Steidl Verlag gedruckten Bücher zeichnen sich durch sorgfältige und individuelle Gestaltung und Ausstattung aus.
Schauplatz des Romans ist Nordirland in den 70er Jahren. Die «Troubles» prägen den Alltag von Cushla Lavery, der Hauptfigur. Cushla, die junge, katholische Lehrerin, lebt mit ihrer alkoholkranken Mutter in einer Kleinstadt in der Nähe von Belfast. Am Tag arbeitet sie in einer Grundschule als Lehrerin und am Abend hilft sie im Pub ihres Bruders an der Bar aus. Dort lernt sie den deutlich älteren protestantischen Strafverteidiger Michael kennen, mit dem sie eine heimliche Beziehung beginnt.
Diese verbotene Liebesgeschichte ist nur eine von vielen unsichtbaren roten Linien, die Cushla überschreitet. Ob in der Schule, auf der Strasse, im Umgang mit Behörden, Kirche, Familie, Pub, Nachbarschaft oder Freunden, überall gibt es diese roten Linien. So beschützt sie den Schüler Davy, der aus prekärsten Verhältnissen stammt, was Misstrauen weckt. Ein Drama nimmt seinen Lauf und eine Spirale der Gewalt beginnt sich zu drehen, denn diese beiden scheinbar getrennten Geschichten werden wieder zusammentreffen …
Vor dem Hintergrund des blutigen Nordirland-Konflikts erzählt Kennedy von Menschen, die versuchen, trotz Gewalt, Bomben und Attentaten ein menschliches Leben zu führen, Zuneigung zu zeigen und hilfsbereit zu sein. Kitschfrei, ruhig und sachlich.
Dieser Roman ist viel mehr als nur eine Liebesgeschichte. Er steckt voller kleiner, berührender Alltagszenen und Momenten in einer von Terrorismus beherrschten Welt.
Susanne Bühler