«Der junge Alexander eroberte Indien.
Er allein?
Cäsar schlug die Gallier.
Hatte er nicht wenigstens einen Koch bei sich?
Philipp von Spanien weinte, als seine Flotte
Untergegangen war. Weinte sonst niemand?»
So fragte Bertold Brecht in seinem Gedicht Fragen eines lesenden Arbeiters.
Der verbotene Bericht der gebürtigen Marokkanerin Laila Lalami könnte auf einige dieser Fragen Antworten geben: Er ist ganz aus der Perspektive der Sklaven geschrieben, die auf der Seite der Herren an Eroberungszügen teilnehmen.
Wir schreiben das Jahr 1527. Der spanische Konquistador Pánfilo de Narváez bricht mit einer Armada nach La Florida auf, um dort die indigene Bevölkerung zu unterwerfen und nach Gold zu suchen. Über die Arroganz, Grausamkeit, aber auch elementare Dummheit der Eroberer handelt dieser pralle, bilddichte Roman. Erzählt wird die Geschichte von Mustafa ibn Muhammad ibn Abdussalam al-Zamori, seines Zeichens marokkanischer Sklave und unfreiwilliger Teilnehmer an dieser chaotischen und letztendlich desaströsen Irrfahrt der Spanier. Er wird auch im offiziellen historischen Bericht der vier überlebenden Eroberer an die spanische Krone genannt; dort Estebanico, weil er im Zuge seiner Versklavung in Sevilla getauft wurde. Verwoben in die Eroberungsgeschichte, wird die Lebensgeschichte von Mustafa erzählt, der einst selbst Händler und Sklavenhändler in der Berberei gewesen ist.
Dieser gut recherchierte historische Roman liest sich sehr flüssig und stellt auf jeder Seite die Frage, wer denn eigentlich die Deutungshoheit über die Ereignisse der Vergangenheit haben kann oder darf.
Priska Friedli