«Mein Wort ist noch lange kein Bekenntnis. Meine Lüge noch lange keine Charakterlosigkeit.»
Einen literarischen Journalismus à la Tom Kummer, nur ohne Skandal, vertritt Joseph Roth in dem hier erstmals veröffentlichten, das Exil ersehnenden Reisebericht – oder eher tagebuchartigen, fantastischen Erzählungen über seine Erfahrungen im Süden Frankreichs, den weissen Städten des Rhônetals und der Provence. Roth recherchiert wie ein Journalist, aber schreibt wie ein Literat. Ein Chronist seiner Zeit, der Weimarer Republik, bereist mit einem Reportageauftrag für die Frankfurter Zeitung jene „Städte, die er als Knabe geträumt hat“: Lyon, Vienne, Tournon, Avignon... – doch mit schwerem Gepäck, einem Kriegstrauma aus dem Ersten Weltkrieg.
Der zu empfehlende neue Band des Verlags Die andere Bibliothek: Rot und Weiss –Wanderer zwischen Städten umfasst drei Texte des Journalisten und (Reise-)Schriftstellers aus den 1920er-, 30er-Jahren, die in dieser Form ursprünglich nicht für die Publikation vorgesehen waren.
Wie auch Tom Kummer hat Joseph Roth ein anderes Verständnis von Journalismus und Wahrheit. Dem nachzugehen lohnt sich!
«Es ist ein Reisebuch durch die Seele des Schreibers, wie durch das Land, das er durchfährt. … Es ist im höchsten Grade dichterisch, mehr, als ein Roman.» äussert sich Joseph Roth über «Die weissen Städte» in einem Brief an einen Freund.
Die parallel entstandenen Essays „Juden auf Wanderschaft“ (1927) und „Das Autodafé des Geistes“ (1933) stehen nun in der Edition von Volker Breidecker gebührendermassen nebeneinander und lassen den Zeitkritiker Roth wiederaufleben.
Martha Höschel