«Die Unruhen begannen an einem Donnerstag. Um sechs Uhr abends. So jedenfalls erinnerte sich Amelia daran.»
Amelia Boyd Lovett ist acht Jahre alt, als die «Troubles» 1969 in Belfast beginnen. Ihre Familie lebt in Ardoyne, einem katholischen Arbeiterviertel, wo die Lovetts wegen ihrer Streitereien und Verrücktheiten bekannt und gefürchtet sind. Auf Konflikte wird mit Gewalt reagiert, ob auf der Strasse, in der Schule oder zuhause. Amelia ist auf sich allein gestellt. Das einzige, auf das sie sich verlassen kann, sind ihre Schätze, die sie in einem abgewetzten Koffer unter dem Bett versteckt, eine schwarze Schachkönigin, ein kleines Plastikschaf, eine Tube Glitzer, ein Gebet für einen Penny und siebenunddreissig Gummigeschosse.
Anna Burns Debütroman ist nun ins Deutsche übersetzt. Ihr erster Erfolg in deutscher Sprache Milchmann wurde mit dem Man Booker-Prize ausgezeichnet. Wieder gelingt Burns eine bewegende Geschichte über den Nordirland-Konflikt.
In Amelia geht es nicht um die Entstehung oder die verschiedenen Parteien des Krieges, vielmehr um die psychischen und physischen Schäden, die dieser Konflikt auslöst. Jeden Tag sterben Menschen. Die Kinder machen sich ein Spass daraus zu raten, wer diese Nacht erschossen wurde und wo die nächste Bombe hochgehen wird. Sie spielen russisches Roulette und betäuben sich mit Unmengen Alkohol, um den Schmerz der zerschossenen Kniescheiben nicht zu spüren.
Amelia ist definitiv kein Feelgood-Buch und nichts für schwache Nerven. Manchmal verschwimmen Realität und Wahn und trotzdem ist es ein Buch, das mit seiner direkten und authentischen Sprache überzeugt.
Livia Weber