1929 im ländlichen Punjab, Indien: Drei junge Frauen, eigentlich noch Mädchen, werden bei einer traditionellen Zeremonie mit drei Brüdern verheiratet, die ihnen völlig fremd sind. Eine davon ist die 15-jährige Mehar. Wie die anderen beiden hat sie keine Ahnung, welcher der drei Brüder ihr Ehemann ist. Den Tag hindurch gehen die Mädchen ihrer harten Arbeit nach, stets unter dem strengen Blick ihrer Schwiegermutter Mai und eingesperrt im Porzellanzimmer. In der Nacht wird jeweils eine aufgerufen, sich in einem Zimmer in vollkommener Dunkelheit und Schweigen ihrem Mann hinzugeben, in der Hoffnung, bald einen Sohn zu empfangen. Doch dann verliebt sich Mehar in einen der Brüder, von dem sie glaubt, er sei ihr Ehemann. Eine gefährliche Liebe beginnt, die nicht nur Mehars Leben bedroht.
Etwa 70 Jahre später reist Mehars Urenkel, der in England lebt, nach Indien, um von seiner Heroinsucht loszukommen. Um jeglicher Versuchung zu widerstehen, sucht er Zuflucht in der längst verlassenen und verkommenen Familienfarm. Dort entdeckt er das verschlossene und mit Gitterstäben ausgestattete Porzellanzimmer. Für ihn beginnt dadurch nicht nur eine Suche nach sich selbst, sondern auch eine Reise durch das Leben seiner Urgrossmutter und in die Abgründe seiner Familiengeschichte.
Sunjeev Sahota erzählt eine packende und tragische Geschichte, die an seine eigene Familiengeschichte angelehnt ist. Es ist ihm fabelhaft gelungen, die beiden Hauptprotagonisten und die Umgebung bildhaft darzustellen, so dass man sich gut in die Szenen hineinversetzen kann. Dazu kommt der flüssige und angenehme Schreibstil, bei dem es ein Vergnügen ist, das Buch zu lesen.
Deborah Keller